Die Sonne brannte nieder auf den weiten, offenen Platz vor der Akademie der Astralen Künste, und die imposante Architektur des Hauptgebäudes schien in den klaren Himmel zu ragen. Jedes Detail war sorgfältig durchdacht – von den hochgewölbten Bögen, die die Haupthalle zierten, bis zu den verzweigten, sich windenden Wegen, die sich durch den weitläufigen Garten zogen. Der Duft von frischem Gras und Blumen mischte sich mit einer mystischen Energie, die die Luft durchzog. Es war ein Ort, an dem Magie und Wissen miteinander verschmolzen – und hier sollte Amaya nun ihr neues Leben beginnen.
Doch anstatt sich von der Schönheit des Ortes überwältigt zu fühlen, stand sie wie angewurzelt da und blickte nervös auf den riesigen Eingang, der ihr bevorstand. Ein Gedanke schlich sich in ihren Kopf – ein Gedanke, der sie seit ihrer Ankunft begleitete und den sie nicht ablegen konnte: „Passt du hier wirklich hin?"
Ihre Hände zitterten leicht, als sie ihren Koffer fester umklammerte. Sie war allein hier, ohne Familie, ohne Freunde. In den Waisenhäusern hatte man ihr beigebracht, nie an einen festen Ort zu glauben, nie zu hoffen, dass man irgendwo Wurzeln schlagen konnte. Ihre Eltern hatte sie nie gekannt. Sie wusste nur, dass sie von den Göttern selbst verlassen worden war, als sie als Baby vor den Toren des Waisenhauses abgelegt wurde. Ihre Herkunft war ein Mysterium, eine leere Seite, die sie sich nie erklären konnte.
Und jetzt stand sie hier, an der Schwelle einer neuen Welt, die ihr sowohl Hoffnungen als auch Ängste einflößte. Die Akademie der Astralen Künste galt als der bedeutendste Ort für das Erlernen und die Entwicklung der besonderen Fähigkeiten, die einige Menschen – wie sie – in sich trugen. Es war ein Ort der Magie, der Wissenschaft und des Wissens. Doch war sie wirklich dazu bereit?
Die Worte des Direktors, die ihr bei der Aufnahmeprüfung zugesprochen worden waren, hallten in ihrem Kopf nach: „Du hast das Zeug dazu, hier zu sein. Du hast Fähigkeiten, die du noch nicht einmal vollständig verstehst. Doch dieser Ort ist nicht für schwache Herzen. Es gibt viele, die genauso wie du hierher kommen – aber nur wenige, die sich bewähren."
Amaya seufzte tief. Sie hatte das Gefühl, dass sie für einen Ort wie diesen nicht geschaffen war. So viele andere hatten die Türen zu diesem ehrwürdigen Gebäude durchschritten, hatten sich jahrelang vorbereitet, hatten sich in den Magien und Künsten geübt. Und dann war da noch der Gedanke an Jackson – der Junge, der sie in den ersten Minuten ihrer Ankunft bereits mit seinem scharfen Blick und seiner Arroganz konfrontiert hatte. Seine Worte hallten immer noch in ihren Ohren, ein leises, aber durchdringendes Echo: „Du wirst es hier nicht weit bringen."
Plötzlich wurde ihre Aufmerksamkeit von einem lauten Geräusch abgelenkt. Ein Student rannte vorbei, das Gesicht voller Aufregung, die Hände voller Papiere und Bücher. „Entschuldigung, Entschuldigung!", rief er, als er fast gegen Amaya stieß. „Ich muss noch rechtzeitig zum Unterricht!"
„Kein Problem", murmelte Amaya, als der Junge schon wieder verschwunden war.
Langsam machte sie sich auf den Weg durch den Eingang und trat ein in die weitläufige Eingangshalle. Es war kühl hier, und das sanfte Leuchten der Kristalle an den Wänden sorgte für eine fast sakrale Atmosphäre. Der Boden war mit poliertem Marmor bedeckt, der die Bewegung der Schritte in sanfte Echos verwandelte. Einige Studenten unterhielten sich eifrig in kleinen Gruppen, während andere in tiefer Konzentration durch große, schwere Bücher in den Regalen blätterten.
„Oh, du bist die Neue!" Eine Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Amaya drehte sich überrascht um und fand sich einem Mädchen gegenüber, das mit einem breiten Lächeln und offenen Augen auf sie zukam. Sie hatte hellblondes Haar, das in sanften Wellen über ihre Schultern fiel, und eine freundliche, einladende Ausstrahlung. „Ich bin Clara. Du siehst aus, als hättest du gerade erst deinen Platz gefunden." Clara sprach mit einer Wärme, die Amaya sofort beruhigte. „Komm, lass uns den anderen Studenten vorstellen. Du wirst dich hier schnell eingewöhnen."
Amaya lächelte zögerlich und folgte Clara, die sie durch die Halle führte. Es war das erste Mal, dass jemand in der Akademie auf sie zugegangen war, ohne sie zu mustern oder abwertend zu behandeln. Clara sprach weiter, als ob sie Amaya so schnell wie möglich in ihre Welt einführen wollte. „Es gibt hier viele Studenten, die sich alle gegenseitig unterstützen, auch wenn es manchmal so aussieht, als würde jeder nur an sich selbst denken. Aber keine Sorge, du wirst schnell merken, dass wir alle zusammenhalten, wenn es darauf ankommt. Besonders bei den Prüfungen und den Praktika, die du bald machen wirst."
Amaya nickte, versuchte, die Worte zu verarbeiten. Sie wollte Clara glauben, wollte an das Gefühl der Zugehörigkeit glauben, doch etwas in ihrem Inneren sagte ihr, dass es nicht so einfach sein würde.
Plötzlich ertönte eine durchdringende Stimme, die die gesamte Halle füllte. „Schüler, wir beginnen bald mit der Einführungszeremonie. Bitte versammelt euch alle in der Aula. Wer nicht pünktlich ist, wird nicht an der Vorstellung der Akademie teilnehmen können."
Clara drehte sich um und grinste. „Das ist unsere Chance, alle kennenzulernen. Komm, ich zeige dir den Weg."
Amaya folgte Clara, doch während sie durch die langen, ehrwürdigen Flure der Akademie gingen, fühlte sie sich wieder wie ein Fremder in einem unbekannten Land. Es war, als ob jeder Schritt, den sie tat, sie weiter von ihrem eigentlichen Ziel entfernte. Sie wollte sich beweisen, wollte zeigen, dass sie mehr war als nur die Waise, die hier zufällig gelandet war. Doch es war schwer, diese Zweifel abzuschütteln, besonders, als sie Jackson aus den Augenwinkeln sah, der mit einer Gruppe anderer Schüler in einem Gang stand und sie mit einem kalten Blick fixierte.
„Da ist er wieder", flüsterte Clara leise. „Jackson ist ein hochgradig begabter Schüler, aber er hat eine Art, sich alle anderen zu unterwerfen. Mach dir keine Sorgen, du wirst ihm schon bald begegnen, wenn du die Prüfungen und Projekte absolvierst."
Amaya nickte nur, doch in ihrem Inneren stieg ein unbehagliches Gefühl auf. Sie wusste nicht, warum Jackson sie immer so musterte, aber sie konnte nicht anders, als zu spüren, dass er sie auf irgendeine Weise herausforderte.
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Amaya hatte sich inzwischen halbwegs an die Akademie gewöhnt, aber die Unsicherheit, die sie empfand, ließ nicht nach. Die ersten Tage waren wie ein ständiger Fluss aus neuen Eindrücken, aber auch aus Zweifeln. Jeden Morgen, wenn sie ihre Augen öffnete und die weite, beeindruckende Architektur der Akademie sah, überkam sie ein merkwürdiges Gefühl. Es war das Gefühl, an einem Ort zu sein, der zu groß für sie war – ein Ort, an dem ihre Unsicherheiten und Ängste immer wieder in den Vordergrund traten. Die Akademie der Astralen Künste war ein ehrwürdiger Ort, ein Ort der Magie und der Macht. Doch sie war sich nicht sicher, ob sie hier wirklich hingehörte.
Es gab Momente, in denen sie sich fragte, ob sie jemals wirklich an diesem Ort ihren Platz finden würde. Die anderen Studenten schienen so viel mehr zu wissen und zu verstehen als sie. Sie hatten scheinbar alle ihre Fähigkeiten und Gaben schon von Geburt an mitbekommen und übten sie mit einer Leichtigkeit, die Amaya fast schon neidisch machte. Sie jedoch, die Waise, die ohne Wissen über ihre Herkunft und ihren Platz im Universum hierher geschickt worden war, fühlte sich wie ein Fremdkörper in einer Welt, die sie nicht verstand.
„Du schaffst das", sagte sie sich immer wieder, während sie durch die langen Gänge der Akademie ging, die mit hohen, kunstvoll verzierten Fenstern gesäumt waren. Ihr Herz klopfte schneller, jedes Mal, wenn sie an einem Gruppen von Schülern vorbeiging, die miteinander lachten und redeten. Sie spürte die Blicke, die auf ihr ruhten – einige neugierig, andere spöttisch. Clara hatte sich inzwischen als eine der wenigen Freundinnen etabliert, die Amaya den Einstieg in diese neue Welt erleichterte, doch auch Clara konnte nicht die Schatten der Einsamkeit vertreiben, die immer wieder über Amaya hereinbrachen.
Eines Morgens, als Amaya die große Bibliothek der Akademie betrat, war die stille, fast ehrfürchtige Atmosphäre, die den Raum durchzog, wie ein wohltuender Trost. Die Regale waren bis zur Decke mit alten, in Leder gebundenen Büchern voll magischer und wissenschaftlicher Texte gefüllt. Hier konnte sie alles lernen, was sie wollte. Hier hatte sie die Möglichkeit, sich von der Welt der Menschen zu lösen und in die Welt der astralen Energien einzutauchen.
Sie hatte sich angewöhnt, einige Stunden pro Tag in der Bibliothek zu verbringen. Bücher und Schriften waren ihre einzige Gesellschaft, wenn die restliche Akademie sich weiterentwickelte und sie dabei das Gefühl hatte, auf der Stelle zu treten. Doch es gab auch Momente, in denen die Bibliothek selbst ihr den Spiegel ihrer eigenen Unsicherheit vorhielt. Sie verstand so wenig von der Magie, die die anderen so mühelos beherrschten. Ihre eigenen Versuche, mit ihrer Astralenergie zu arbeiten, waren mühselig und schmerzhaft, und sie konnte sich nie sicher sein, ob sie tatsächlich Fortschritte machte.
Eines Tages saß sie wieder in der Bibliothek und versuchte, ein uraltes Zauberbuch zu studieren. Der Text war in einer alten, fast vergessenen Schrift verfasst, und die Symbole wirbelten vor ihren Augen. Es war unmöglich für sie, sich in der Vielzahl von Zeichen und Formeln zurechtzufinden. Ihre Finger glitten über die Seiten, während sie versuchte, den Zauber zu entschlüsseln. Sie spürte das ständige Gewicht der Frustration. Doch als sie ihre Hand über das Buch legte, passierte etwas Unerwartetes. Ein feines, fast unsichtbares Flimmern trat in die Seiten des Buches ein. Eine dünne, leuchtende Linie zuckte auf der Seite entlang, als ob die Energie des Buches plötzlich mit ihrer eigenen in Resonanz trat. Amaya erstarrte und starrte gebannt auf die Seite.
„Was… was war das?"
Es war das erste Mal, dass sie ihre Astralenergie in einem so klaren Moment wahrnahm. Die Verbindung zwischen ihr und dem Zauber schien wie ein unsichtbares Band zu bestehen, das plötzlich sichtbar wurde. Doch gerade als sie ihre Konzentration vertiefen wollte, wurde sie abrupt aus ihren Gedanken gerissen.
„Du bist schon wieder in dieser Ecke", hörte sie eine vertraute Stimme hinter sich. Sie drehte sich um und sah Clara, die mit einem leichten Lächeln auf sie zukam.
„Oh, es tut mir leid", sagte Amaya schnell und schloss das Buch, das noch immer leicht zu flimmern schien. „Ich war einfach… in Gedanken versunken."
„Kein Problem", sagte Clara freundlich. „Aber wenn du weiter so viel Zeit hier verbringst, wirst du nie wissen, was außerhalb dieser vier Wände vor sich geht. Komm, ich habe gehört, dass heute ein neues Projekt ansteht. Wir sollten uns darum kümmern."
Amaya nickte, doch ein Teil von ihr zögerte. Sie hatte das Gefühl, dass sie endlich einen ersten Schritt in Richtung ihrer Fähigkeiten gemacht hatte. Doch auch Clara hatte recht: Sie konnte nicht nur in der Bibliothek sitzen und hoffen, dass sich alles von selbst erklärte. Es gab Dinge, die sie nur durch die praktische Anwendung ihrer Kräfte verstehen konnte.
Als sie die Bibliothek verließ, spürte Amaya einen merkwürdigen Kloß in ihrem Hals. Sie fühlte sich hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, ihre Fähigkeiten zu meistern, und der Angst, zu scheitern. Es war ein ständiger Kampf, der ihre Gedanken beherrschte.
„Warum fühlt sich das alles so schwer an?", fragte sie sich, als sie den Flur entlangging. „Warum kann ich nicht einfach wie alle anderen sein?"
Doch dann hörte sie ein vertrautes Geräusch. Die Schritte hinter ihr waren zu laut, zu bestimmend, um sie nicht zu bemerken. Als sie sich umdrehte, sah sie Jackson. Er stand da, an einem der Wände lehnt, mit einem überheblichen Lächeln, das sie sofort in ihren Bann zog.
„Du bist also die Neue, die sich hier rumtreibt", sagte er, als ob er gerade erst bemerkt hätte, dass sie da war. „Hoffentlich versuchst du nicht, an den Dingen zu fummeln, die du nicht verstehst. Es wäre besser, du lässt die Finger von dem, was du nicht beherrschst."
„Du bist wirklich ein wunderbarer Mensch, nicht wahr?", erwiderte Amaya scharf. „Wenn du das wirklich glaubst, dann solltest du vielleicht mal deinen Blick auf die eigenen Fähigkeiten richten, anstatt ständig andere zu beurteilen."
Jackson lachte, ein spöttisches, kaltes Lachen. „Sieh dich doch mal an. Du versuchst, dich mit mir zu messen. Wie niedlich. Aber du wirst nie an mein Niveau herankommen. Du bist einfach nicht dazu gemacht."
Seine Worte schmerzten, mehr als sie zugeben wollte. Doch sie wusste, dass sie nicht aufgeben durfte. „Ich werde dir schon noch zeigen, was ich kann", sagte sie fest.
Die Rivalität zwischen ihnen war von Anfang an unausweichlich gewesen. Aber Amaya wusste jetzt, dass sie sich nicht länger von Jackson einschüchtern lassen würde. Sie hatte ihren eigenen Weg zu gehen, und sie würde ihn finden, ganz gleich, wie viele Hindernisse ihr in den Weg gestellt wurden.
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