Die Morgensonne brannte bereits kräftig auf den weiten Innenhof der Akademie, und der Duft von frisch gemähtem Gras vermischte sich mit der feinen, sauberen Luft. Der Tag begann wie jeder andere, doch für Amaya fühlte er sich anders an. Sie konnte den flimmernden Glanz von Erynn noch immer in ihren Gedanken spüren. Die junge Frau, die in wenigen Minuten ihre Welt auf den Kopf gestellt hatte, indem sie Worte säte, die wie Samen in Amayas Geist wucherten. Amaya wusste nicht, wie sie sich fühlen sollte. Ihre Begegnung mit Erynn hatte ihr nicht nur die Unsicherheit ihrer eigenen Position in der Akademie aufgezeigt, sondern auch eine unerklärliche Eifersucht in ihr geweckt – eine Eifersucht auf die Art und Weise, wie Erynn sich leicht in die Kreise der Einflussreichen einfügte, die Augen auf sich zog und die Gespräche beherrschte.
Und dann war da noch Jackson.
Amaya hatte ihn immer wieder in den letzten Tagen beobachtet, wie er mit einer scheinbaren Selbstverständlichkeit durch die Akademie schritt. Mit jedem Tag, den sie hier verbrachte, schien Jackson noch mehr Menschen in seinen Bann zu ziehen. Er war nicht nur in der Akademie präsent, sondern auch in den Gesprächen, in den Flüstertönen, die sich hinter verschlossenen Türen entwickelten. Doch was Amaya am meisten störte, war die Art, wie er sich immer wieder mit Erynn umgab.
Es war nicht so, dass sie den beiden das Gegenteil wünschte. Nein, ganz im Gegenteil. Doch das ständige Zusammensein der beiden, die gemeinsamen Projekte und die Art, wie Erynn Jacksons Aufmerksamkeit fesselte, ließ in Amaya etwas aufkeimen, das sie nicht kannte – ein Gefühl, das sie nicht zuordnen konnte.
Heute hatte Amaya sich jedoch fest vorgenommen, sich nicht von diesen Gefühlen beherrschen zu lassen. Sie war hier, um zu lernen, um sich einen Platz in der Akademie zu erkämpfen. Doch als sie auf dem langen Gang entlangging und Jackson in der Ferne sah, zusammen mit Erynn, konnte sie nicht verhindern, dass ihr Herz schneller schlug.
„Schau dir die beiden an", flüsterte Clara, die gerade an ihr vorbeiging. Sie hatte die beiden Schüler ebenfalls bemerkt und musterte sie mit einem verschmitzten Lächeln. „Es scheint, als würde Jackson Erynn ziemlich viel Aufmerksamkeit schenken."
Amaya nickte nur, versuchte, ihre wachsende Nervosität zu unterdrücken. Clara hatte recht. Jackson und Erynn waren zusammen, sprachen miteinander, lachten. Es war, als ob sie sich ein eigenes kleines Universum erschaffen hätten, einen Raum, den Amaya nicht betreten konnte. Erynn schien die natürliche Anführerin zu sein, und Jackson war der, der sich ihr anzupassen versuchte – auf eine so selbstverständliche Weise, dass es beinahe schmerzhaft war, es zu beobachten.
„Warum sollte ich mich auch kümmern?" flüsterte Amaya leise, mehr zu sich selbst als zu Clara. „Ich bin hier, um zu lernen, nicht um in diese Spiele verwickelt zu werden."
Clara warf ihr einen prüfenden Blick zu und schien die Unsicherheit in Amayas Stimme zu bemerken. „Es ist schwer, sich nicht in solchen Dingen zu verlieren, besonders wenn man neu ist", sagte Clara sanft. „Aber weißt du, was ich denke? Erynn hat ihre eigenen Ziele, und Jackson... nun ja, er ist eben Jackson. Nicht jeder wird sich so leicht von ihm beeinflussen lassen."
Amaya wollte ihr recht geben, doch in diesem Moment hielt sie den Blick auf Jackson gerichtet. Sie konnte nicht anders, als die Art und Weise zu bemerken, wie er sich mit Erynn unterhielt. Er lachte, sprach mit einer Leichtigkeit, die Amaya nie bei ihm gesehen hatte. Etwas in ihr zog sich zusammen. Ein stechendes Gefühl der Unzulänglichkeit ergriff sie. Vielleicht hatte Clara recht, und sie sollte sich nicht so leicht von diesen Gefühlen einnehmen lassen. Aber es war, als ob ihr Herz gegen ihren Willen reagierte.
Als sie den Gang entlangging, versuchte Amaya, ihren Fokus zurück auf das zu richten, was sie hier zu tun hatte. Doch immer wieder stieg das Bild von Jackson und Erynn in ihrem Kopf auf. Ihr Lachen, ihre Gespräche, die Art, wie sie sich gegenseitig ergänzten. War es Eifersucht, die sie fühlte? War es eine Zuneigung, die sie nicht benennen konnte? Und warum hatte es so lange gedauert, bis sie diese Gefühle überhaupt in sich entdeckte?
Der Tag zog sich dahin, und Amaya versuchte, sich in den Übungen zu vertiefen. Doch immer wieder schlich sich der Gedanke in ihren Kopf, dass Jackson nicht mehr nur der arrogante, selbstsichere Junge war, den sie zu Beginn kennengelernt hatte. Er war mehr. Etwas anderes war in ihm, etwas, das sie in ihren bisher kurzen Begegnungen mit ihm nicht einmal ansatzweise erahnen konnte.
Am Nachmittag, als die Sonne sich langsam dem Horizont näherte, fand sich Amaya erneut auf dem weitläufigen Gelände der Akademie, diesmal allein, mit einem Buch in den Händen. Sie wollte die Zeit nutzen, um sich mit den neuen Lektionen vertraut zu machen. Doch der Moment war von einer seltsamen, anhaltenden Spannung begleitet. Ihre Augen huschten immer wieder zu Jackson, der mit Erynn in der Nähe stand, während sie in tiefem Gespräch vertieft waren. Amaya hatte das Gefühl, dass sie die Kontrolle über ihre eigenen Gedanken verloren hatte.
Plötzlich bemerkte sie, wie Erynn auf sie zukam. Ihre Schritte waren leise und selbstbewusst, doch als sie vor Amaya stehen blieb, konnte Amaya nicht umhin, den vertrauten Blick in ihren Augen zu bemerken – ein Blick, der sowohl herausfordernd als auch neugierig war.
„Amaya, richtig?", begann Erynn, ihre Stimme klang fast freundlich, aber auch mit einem Unterton von Interesse. „Ich sehe dich oft, wie du mit deinen Gedanken versunken bist. Du solltest dich nicht von den Dingen ablenken lassen. Der Weg hier ist steinig, aber er kann sich lohnen, wenn man nicht aufgibt."
Amaya nickte, ein wenig überrascht von der Direktheit von Erynns Worten. Sie wusste nicht, wie sie reagieren sollte. Hatte Erynn sie bemerkt? War sie sich bewusst, wie Amaya sich fühlte?
„Du bist gut, Amaya", sagte Erynn schließlich, ihre Stimme wurde weicher, fast ein wenig geheimnisvoll. „Aber du darfst dich nicht in den Spielen der anderen verlieren. Du musst deinen eigenen Weg finden."
Amaya spürte, wie sich ihre Gedanken überschlugen. Was meinte Erynn? War das ein Hinweis? Wollte sie sie warnen? Oder versuchte sie, ihr ein wenig aus der Reserve zu locken, um sie zu einem Teil des Spiels zu machen, in dem auch sie eine Rolle spielte?
Erynn lächelte mit einem Hauch von Geheimnis und drehte sich dann ab, als ob sie wusste, dass sie das letzte Wort hatte. Doch in Amaya blieb eine ungeklärte Frage zurück, ein leises, aber durchdringendes Gefühl der Unsicherheit, das sie nicht abschütteln konnte.
Der Rest des Tages verging in einem Nebel aus Gedanken, und je mehr Amaya versuchte, sich auf ihre Aufgaben zu konzentrieren, desto mehr konnte sie Jackson und Erynn nicht aus ihrem Kopf verbannen. Was würde diese wachsende Verbindung zwischen ihnen für ihre eigene Zukunft hier in der Akademie bedeuten?
Es war zu früh, um zu wissen, was aus diesen Gefühlen entstehen würde. Doch eines war sicher: Die Rivalität war nur der Anfang.