Der Beginn der neuen Woche an der Akademie brach an, und für Amaya war es der Moment, an dem sie sich wirklich beweisen musste. Es war der Tag, an dem sie und ihre Mitschüler in Gruppen eingeteilt wurden, um an einem gemeinsamen Projekt zu arbeiten. Es war ein Test, der nicht nur ihre praktischen Fähigkeiten in der Magie herausfordern würde, sondern auch ihre Fähigkeit, im Team zu arbeiten – eine Fähigkeit, die Amaya immer noch als ungewohnt empfand. Es gab einen Grund, warum sie in den vergangenen Jahren immer lieber allein war: Die Beziehungen zu anderen Menschen waren immer kompliziert, oft unvorhersehbar, und sie wusste nie, wem sie vertrauen konnte.
Amaya war in einer Gruppe mit Clara und einigen anderen Studenten eingeteilt worden. Sie war froh, Clara wieder an ihrer Seite zu haben, auch wenn sie wusste, dass die Aufgabe, die sie erwartete, alles andere als einfach sein würde. Als sie in den Übungssaal trat, blickte sie sich um und ließ ihren Blick über die anderen Gruppen schweifen. Einige von ihnen sahen bereits voller Zuversicht aus, während andere, wie sie, sichtlich nervös wirkten.
„Heute werden wir an einem Projekt arbeiten, das euch herausfordert, eure Fähigkeiten in der Manipulation von Astralenergie unter Beweis zu stellen", erklärte der Professor, ein großer Mann mit grauem Haar und einer ernsten Miene. „Eure Aufgabe wird es sein, ein magisches Artefakt zu erschaffen, das mit einer der vier Grundelemente in Verbindung steht: Feuer, Wasser, Erde oder Luft. Ihr habt zwei Stunden Zeit, um es zu vollenden. Es wird eine Einzelbewertung geben, aber die Teamarbeit zählt ebenso."
Amaya hörte aufmerksam zu, während sie versuchte, sich auf das zu konzentrieren, was vor ihr lag. Ihre Aufgabe war klar – sie sollte ein magisches Artefakt erschaffen. Doch der Gedanke, in einer Gruppe zu arbeiten, ließ sie nervös werden. Was, wenn sie nicht mithalten konnte? Was, wenn ihre Magie nicht stark genug war? Der Druck war enorm.
„Wir können ein Luft-Element verwenden", schlug Clara vor und drehte sich zu Amaya um. „Das passt zu deiner Art von Energie, oder? Du hast das Gefühl für die Bewegung und den Fluss."
Amaya nickte. „Ja, das könnte funktionieren. Aber…" Ihre Stimme stockte, als sie wieder an die vergangenen Tage dachte, in denen sie ihre Astralenergie kaum kontrollieren konnte. Es war ein ständiger Kampf gegen die Unsicherheit, gegen die Zweifel an ihren eigenen Fähigkeiten. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich es schaffe."
„Du wirst es schaffen", sagte Clara und legte ihr beruhigend die Hand auf die Schulter. „Du musst einfach an dich glauben. Und wenn du Hilfe brauchst, sind wir da."
Die Gruppe begann, sich in den verschiedenen Ecken des Raumes zu verteilen. Amaya konnte die konzentrierten Gesichter ihrer Mitschüler sehen, die eifrig damit begannen, ihre Artefakte zu entwerfen. Die Luft war geladen mit einer Energie, die Amaya fast körperlich spüren konnte. Es war eine Mischung aus Nervosität und Erwartung. Doch dann fiel ihr Blick auf Jackson, der mit seiner eigenen Gruppe am anderen Ende des Raumes arbeitete.
Er stand dort, völlig gelassen, und schien keinerlei Anzeichen von Nervosität zu zeigen. Es war, als würde er mit einer Selbstverständlichkeit die Aufgabe annehmen, die anderen durch seine Präsenz und sein Können in den Schatten zu stellen. Doch für Amaya war er mehr als nur ein weiterer Student. Er war ein Magnet für ihre Ängste und Zweifel. Als sie ihn beobachtete, konnte sie den herablassenden Blick spüren, den er ihr oft zuwarf, als ob er sie mit jeder Geste an ihre Unzulänglichkeit erinnerte.
Plötzlich trat er auf sie zu, und Amaya spürte, wie ihr Herz schneller schlug. „Du solltest wirklich nicht mit Luft arbeiten", sagte er kühl. „Es ist das Element der Leichten und Unbeständigen. Du bist viel besser für etwas Stärkeres geeignet. Etwas, das sich wirklich manifestiert."
„Und was schlägst du vor?", fragte Amaya, obwohl sie wusste, dass er sie nur herausfordern wollte.
„Erde. Du solltest versuchen, etwas zu erschaffen, das Festigkeit und Stabilität hat. Aber ich glaube nicht, dass du es wirklich hinkriegst", fügte er hinzu und schenkte ihr ein spöttisches Lächeln.
Sein Ton war unmissverständlich. Jackson war hier, um sie zu entmutigen, um ihre Unsicherheiten zu verstärken. Amaya spürte, wie ihre Wut in ihr aufstieg. Warum musste er sie immer wieder angreifen? Warum konnte er nicht einfach aufhören, sie herabzusetzen?
„Du hast keine Ahnung, was ich kann", erwiderte sie scharf. „Und du wirst es noch merken."
Jackson lachte nur, eine bittere, abwertende Miene auf seinem Gesicht. „Glaub mir, du wirst noch oft genug merken, dass du hier nicht mit mir mithalten kannst."
Amaya ballte die Fäuste, als er sich abwandte und zu seiner Gruppe zurückging. Sie versuchte, sich zu beruhigen, indem sie tief durchatmete. Doch die Worte von Jackson brannten wie ein Brandmal in ihrem Geist. Sie wusste, dass er sie herausforderte, aber sie hatte nie gewollt, dass jemand wie er sie in diese Ecke drängte.
„Komm schon", sagte Clara, die sich wieder neben Amaya stellte. „Lass dich nicht von ihm ablenken. Du kannst das."
Amaya nickte, aber die Wut, die in ihr kochte, war schwer zu ignorieren. Sie wollte es ihm beweisen. Sie wollte zeigen, dass sie es besser konnte.
In den nächsten Stunden versuchte Amaya, sich ganz auf das Projekt zu konzentrieren. Sie schloss ihre Augen und konzentrierte sich auf die Bewegungen der Luft, auf den Fluss der Energie, der um sie herum war. Sie konnte es spüren, wie die Astralenergie durch ihre Finger strömte, sich formte und verband. Sie wusste, dass es nicht perfekt war, aber es war ein Anfang. Langsam begann sich das Artefakt zu manifestieren. Es war ein schimmerndes, fliegendes Objekt, das die Energie des Windes in einer drehenden Bewegung erfasste.
Doch als Amaya sich umdrehte, sah sie Jacksons Gruppe. Sie hatten bereits ein Artefakt geschaffen – eine gewaltige Statue aus festem Stein, die eine beeindruckende Präsenz ausstrahlte. Die Gruppe um Jackson hatte sich versammelt, und alle betrachteten das Artefakt mit Stolz. Jackson selbst stand aufrecht da, seine Arme vor der Brust verschränkt, und beobachtete die anderen Gruppen mit einem selbstzufriedenen Lächeln.
„Das hier wird gewinnen", sagte er leise, aber so, dass es jeder hören konnte. „Keiner von euch kann sich mit meiner Arbeit messen."
Amaya spürte, wie sich ihre Wut erneut aufstaute. Aber dieses Mal wusste sie, dass sie es besser machen konnte. Sie würde es ihm zeigen. Sie würde nicht zulassen, dass jemand wie er sie kleinmachte.
„Fertig!", rief Clara, und ihre Stimme riss Amaya aus ihren Gedanken. „Es ist noch nicht perfekt, aber ich denke, es ist gut genug."
Das Artefakt, das Amaya und ihre Gruppe erschaffen hatten, war ein schimmerndes, drehendes Windsymbol. Es war nicht so beeindruckend wie Jacksons Statue, aber es war voller Energie und Bewegung – ein Symbol für den Fluss der Elemente. Es war leicht und doch stark, fließend und gleichzeitig stabil. Als sie es betrachteten, wusste Amaya, dass es etwas Besonderes war.
Als die Gruppe ihre Arbeiten präsentierte, gab es eine gespannte Stille im Raum. Jacksons Artefakt wurde zuerst gezeigt, und es wurde beachtet. Doch als es an ihre Gruppe kam, war Amaya überrascht, als der Professor tatsächlich anerkennend nickte.
„Das ist ein beeindruckendes Werk", sagte der Professor. „Die Energie ist spürbar. Es zeigt nicht nur eure Kontrolle über das Element der Luft, sondern auch ein gewisses Verständnis für die Balance und die Bewegungen der Astralenergie. Sehr gut."
Amaya konnte es kaum fassen. Ihre Arbeit war anerkannt worden. Doch Jacksons spöttischer Blick hatte nicht nachgelassen. Amaya wusste, dass dies nur der Anfang war. Ihre Rivalität würde weitergehen, doch sie war fest entschlossen, ihn zu übertreffen.