Nan Hua schritt langsam hinter ihrem Großvater her. Ihre Augen waren wie ein offenes Buch, doch in Wahrheit hatte sie sich in die Angelegenheiten der Familie Long eingemischt. Kaum hatte Long Xu Nian den Diener beauftragt, das problematische Tuch herzurichten, hatte Nan Hua ihre Fäden gezogen.
Als Assassine kannte sie sich natürlich mit dem menschlichen Körper aus.
Ein einzige Nadel genügte, um jemanden außer Gefecht zu setzen. Und weil Long Xu Nian das Tuch entsorgen wollte, musste sie nur dafür sorgen, dass der Diener niemals dorthin gelangen würde.
Der Rest?
Die Familie Long war nicht umsonst eine Militärfamilie. Es gab natürlich genug Soldaten, die Wache standen.
Sie klärten die Sache, indem sie die Dienerin festhielten und sie zur Aussage vor der alten Madam Long brachten. Dieses Mal griff Nan Hua nicht ein, denn sie spürte, dass die alte Madam Long ihr irgendwie helfen wollte.
Aber warum? Wahrscheinlich lag die Antwort bei ihrem Großvater.
Da Nan Hua es gewohnt war, im Verborgenen zu handeln, hatte sie keinesfalls vor, Long Xu Nian von ihren Taten zu erzählen. Es reichte, wenn Long Xu Nian durch andere Hände leiden musste.
Alter Meister Nan winkte die Diener fort, sodass nur sie vier übrigblieben, plus Nan Luos persönlichen Diener und Xiao Yun.
„Na also, alte Hexe, was führt dich hierher?"
„Du verdammter alter Hund, meinst du, ich werde nicht willkommen geheißen, wenn mein Sohn oder mein Mann nicht anwesend sind?" fuhr die alte Madam Long ihn an.
Alter Meister Nan lachte spöttisch. „Gibt es überhaupt Grund genug, eine Wahnsinnige wie dich willkommen zu heißen?"
Die alte Madam Long brummte kalt. Sie verschränkte die Arme und hob ihr Kinn. „Da du meine Hilfe erbittest, werde ich nicht gehen, ohne eine Gegenleistung zu erhalten."
„Welche Gegenleistung? Du willst, dass ich dafür bezahle, dass du deinen Haushalt in Ordnung bringst? Träum weiter!" Alter Meister Nan blieb stur.
„Hmpf! Das hätte ich von dir erwartet und deshalb teile ich dir mit, dass Hua'er ab jetzt meine Enkelin ist. Deshalb möchte ich, dass sie mich auch in Zukunft besuchen kommt!"
„Was? NEIN!"
„Was heißt hier 'nein'? Sie ist die Verlobte meines Enkels, also ist es nur natürlich, wenn sie mich besuchen kommt!"
„Sie gehört noch nicht zu deiner Familie, du schamlose alte ****!"
Die beiden Senioren setzten ihren Streit fort, während Nan Luo einen Teller mit Gebäck näher zu sich und Nan Hua zog. Er stieß Nan Hua an. „Iss erst mal. Sie werden nicht eher aufhören, als bis mindestens eine Räucherstäbchenlänge vergangen ist."
Nan Hua beobachtete den alten Meister Nan und die alte Madam Long, wie sie weiter stritten. Es schien, als würden sich die beiden sehr gut kennen, was erklärt, warum die alte Madam Long darauf bedacht war, dem alten Meister Nan zu helfen.
Sie war allerdings mehr daran interessiert, ob es in Ordnung war, dass sie solch unverblümte Worte verwendeten.
Ihre Wortgefechte wurden mit der Zeit immer erbitterter.
„Streiten sie immer so?" fragte Nan Hua, als sie sah, dass Nan Luo entspannt ein kleines Kuchenstück aß.
Nan Luo nickte. „Ja, du bist meistens bei Mutter, wenn die alte Madam Long vorbeischaut. Sie sind immer so, aber keine Sorge, sie sind beste Freunde."
Beste Freunde, die sich so beschimpfen?
Doch Nan Hua fragte nicht weiter nach und nahm sich ein Stück Gebäck. Es wäre unhöflich gewesen, ihren Großvater danach zu fragen. Da es schon so war, aß sie einfach weiter und wartete darauf, dass sie fertig wurden.
Die beiden machten solange weiter, bis Nan Luo von den Süßigkeiten gesättigt war und keine Wahl mehr hatte, als sich dem Lernen zuzuwenden. Nan Hua las auch mit ihm, und als die beiden Alten ihr Gespräch beendet hatten, sahen sie, dass die beiden Kinder gemeinsam ein Buch lasen.
Diese Szene war allerliebst und erfrischend.
„Wären Xu Nian und Qian Xing nur so umgänglich wie diese beiden.", seufzte die alte Madam Long beim Anblick der harmonischen Geschwister.
Der alte Meister Nan schnaubte. „Du bist diejenige, die gescheitert ist, sie zu erziehen, und jetzt hoffst du, dass sie zusammenarbeiten?"
„Kannst du nicht mal eine Weile den Mund halten?", knirschte die alte Madam Long mit den Zähnen. Ihr größtes Bedauern war es, ihrem Mann an die Front gefolgt zu sein und diesen lästigen alten Mann getroffen zu haben. Wenn sie sich nie an der Frontlinie begegnet wären, würde sie nicht jeden Tag so sehr unter ihm leiden müssen.
Selbst ihr Mann war ihm nicht gewachsen.
Alter Meister Nan schnaubte. „Wie auch immer, wirst du endlich deine Residenz aufräumen?"
„Das hängt von meinem Sohn ab.", zuckte die alte Madam Long mit den Schultern. „Ich bin schon alt und schwach, ich kann die Residenz nicht mehr verwalten."
Alt?
Schwach?
Als er sah, dass die alte Madam Long noch immer in Stimmung war, sich über eine Räucherstäbchenlänge mit ihm zu streiten, wusste Alter Meister Nan, dass sie immer noch voller Vitalität war. Sie mit den Worten alt und schwach zu beschreiben? Das wäre der größte Witz der Welt!