Amaya hatte die ganze Nacht kaum geschlafen. Ihre Gedanken waren bei Jackson, bei seinen Worten, seiner Unsicherheit. Sie wollte glauben, dass sie einen Schritt weiter waren, dass sie ihn berührt hatte, doch seine innere Distanz schien unüberwindbar. Sie wusste, dass er sich zurückhielt, und diese Barriere schmerzte sie mehr, als sie zugeben wollte.
Am nächsten Tag traf sie ihn zufällig im Innenhof der Akademie. Es war ein kühler Morgen, die Luft frisch und klar, der Himmel bedeckt von grauen Wolken. Jackson stand allein an der Steinbrüstung und starrte in die Ferne, die Hände tief in den Taschen seines Umhangs vergraben.
Für einen Moment zögerte sie. Es war immer schwierig, ihn in solchen Momenten anzusprechen. Er wirkte wie eine Festung, unerreichbar, und doch trieb etwas in ihr sie vorwärts.
„Jackson", sagte sie leise, als sie zu ihm trat.
Er blickte über die Schulter zu ihr, seine Miene wie immer kontrolliert, fast kalt. „Amaya." Seine Stimme war ruhig, doch sie spürte die Distanz in seinem Tonfall.
„Ich wollte mit dir reden", begann sie vorsichtig.
Er wandte sich ihr halb zu, zog aber nicht die Hände aus den Taschen. „Worüber?"
Seine Zurückhaltung ließ ihr Herz schneller schlagen, doch sie zwang sich, standhaft zu bleiben. „Über uns. Über das, was zwischen uns passiert – oder auch nicht passiert." Sie suchte nach seinen Augen, doch er hielt den Blick nicht lange. Stattdessen starrte er irgendwo über ihre Schulter, als wolle er dem Gespräch entfliehen.
„Amaya, ich dachte, wir hätten das geklärt", sagte er schließlich und klang dabei fast genervt. „Ich habe dir gesagt, dass ich nicht weiß, wie ich mit dir umgehen soll. Was erwartest du von mir?"
Seine Worte schnitten tief, und doch fühlte sie, dass hinter seiner schroffen Haltung mehr steckte. Sie wusste, dass er sich nicht aus Bosheit so verhielt, sondern weil er Angst hatte. Aber wie lange konnte sie noch gegen diese Mauer ankämpfen?
„Ich erwarte keine perfekte Antwort von dir, Jackson", sagte sie, ihre Stimme leise, aber bestimmt. „Ich will nur, dass du ehrlich bist. Nicht zu mir, sondern zu dir selbst. Was fühlst du? Warum ziehst du dich zurück, jedes Mal, wenn wir uns näherkommen?"
Er schnaubte und wandte den Blick ab. „Das ist nicht so einfach, wie du denkst. Du willst Antworten, die ich dir nicht geben kann."
„Weil du sie nicht kennst oder weil du dich davor drückst?", entgegnete sie, ihre Stimme schärfer, als sie es beabsichtigt hatte.
Jackson drehte sich abrupt zu ihr um, sein Blick kühl und distanziert. „Was willst du hören, Amaya? Dass ich dich mag? Dass ich mehr fühle, als ich sollte? Dass ich mich wie ein Idiot fühle, weil ich nicht weiß, wie ich das zulassen soll?"
Seine Worte ließen sie innehalten, doch bevor sie etwas sagen konnte, fuhr er fort: „Das hier – du und ich – es ist kompliziert. Und ich kann mir nicht leisten, mich darauf einzulassen, nur damit am Ende alles in die Brüche geht. Vielleicht kann ich das einfach nicht, Amaya."
Sie spürte, wie ihr die Kehle zuschnürte, doch sie zwang sich, ruhig zu bleiben. „Du kannst nicht oder willst nicht?"
Er schwieg, und in seinem Schweigen lag die Antwort, die sie fürchtete. Schließlich zuckte er mit den Schultern, als wäre es ihm gleichgültig, doch sie wusste, dass es das nicht war.
„Vielleicht beides", sagte er knapp.
Amaya spürte, wie die Enttäuschung in ihr aufstieg, doch sie ließ es sich nicht anmerken. Sie wusste, dass sie ihn nicht zwingen konnte, sich zu öffnen. Doch wie lange konnte sie noch warten, ohne sich selbst dabei zu verlieren?
„Du bist ein Feigling, Jackson", sagte sie schließlich, ihre Stimme leise, aber fest. „Du versteckst dich hinter deiner Angst, statt dir selbst die Chance zu geben, glücklich zu sein. Ich weiß nicht, ob ich dir helfen kann, wenn du dich nicht helfen lassen willst."
Er sah sie an, und für einen Moment dachte sie, einen Anflug von Reue in seinen Augen zu sehen. Doch dann verschwand er, und seine Miene wurde wieder hart. „Vielleicht hast du recht", sagte er, bevor er sich abwandte. „Vielleicht bin ich das. Aber das ist mein Problem, nicht deins."
Ohne ein weiteres Wort ließ er sie stehen. Amaya blieb allein im kalten Innenhof zurück, ihre Gedanken wirr, ihr Herz schwer. Sie hatte gehofft, dass er bereit wäre, einen Schritt auf sie zuzugehen, doch stattdessen hatte er sich weiter zurückgezogen.
Trotz allem spürte sie, dass das nicht das Ende war. Jackson kämpfte mit sich selbst, das wusste sie. Aber sie konnte ihn nicht dazu zwingen, sich zu ändern. Das musste er selbst wollen.
Und so entschied sie sich, ihm Zeit zu lassen, aber nicht ewig. Sie würde nicht für immer warten. Irgendwann würde er sich entscheiden müssen. Entweder für sie oder gegen sie.